Marcel Perincioli schreibt 1986 in seinen «Aufzeichnungen»:
«Meine Pfadfinderzeit ab 1924 war für mich, dank der guten Führer, von lebensbestimmender Bedeutung, und gerne denke ich an die Abenteuer in den Pfadfinderlagern zurück. 1929 trat ich der Rovergruppe «Teja» bei, welche sich noch heute – 1986! – allwöchentlich zu regem Gedankenaustausch trifft.
Während ich in meiner Schulzeit wegen des italienischen Namens, trotz Schweizerbürgerrecht, oft unter meinen Mitschülem zu leiden hatte, war eine solche Diskriminierung bei den Pfadern unbekannt.
1926 musste mein Vater sein im Grünen gelegenes Atelier des geplanten Loryspitals wegen räumen, und meine Eltern erwarben eine Parzelle am damaligen Egghölzliweg, ganz auf freiem Feld. Ausser dem Lehrerinnenheim standen nur im hinteren Teil der Hiltystrasse einige Häuser. Noch jahrelang konnten wir im Winter auf einem gebahnten Pfad direkt über das freie Feld zum Burgerenziel gelangen. Meine Eltern hatten, bedingt durch die ausbrechende Wirtschaftskrise, grosse Probleme mit dem Hausbau, trifft es doch in solchen Krisenzeiten die freien, künstlerischen Berufe besonders hart.
Germaine, meine vier Jahre ältere Schwester, mit der ich sehr verbunden war, wirkte durch ihr schönes Gesicht und ihr einnehmendes Wesen wie ein Magnet auf die damaligen Gymnasiasten. Im «Rohr» musste ich einige Schritte Distanz wahren, um ihre Erscheinung nicht zu beeinträchtigen. Noch nicht einmal 20 Jahre alt, heiratete sie den jungen und intelligenten Fürsprecher Fritz Thormann. Leider endete diese glückliche Ehe 1955 tragisch, bei einem für beide tödlich verlaufenen Autounfall bei Nancy.
Nach Schulaustritt entschied ich mich, Bildhauer zu werden. Eine Schnupperlehre im Atelier meines Vaters während der Sommerferien 1926 hatte mich zu diesem Entschluss bewogen. Zwei Jahre jünger als mein Mitlehrling Gustav Piguet, trat ich 1927 bei meinem Vater in die dreieinhalb Jahre dauernde Lehre ein. Die Lehrzeit war für mich eine eher schwierige Zeit, gelang es mir doch nur ganz selten, von meinem Vater ein Lob über meine Arbeit zu hören und für meine weitere Ausbildung an der Gewerbeschule die nötige Zeit tagsüber zu erhalten, so dass ich öfters jeden Abend belegen musste. Trotzdem schloss ich bei der Prüfung im Herbst 1930 mit den besten Noten ab und erhielt den Preis der Städtischen Unterrichtsdirektion von 20 Franken zugesprochen. Bei der Übergabefeier fand mein Vater diesen Erfolg als selbstverständlich und spendete mir einen Fünfliber.
Lohn erhielten die Bildhauerlehrlinge damals keinen. Allerdings gab mir mein Vater Gelegenheit, während der Lehrzeit wochenweise für andere Bildhauer zu arbeiten, zum Beispiel bei der Renovation der Sandsteinplastiken an der damaligen Eidgenössischen Bank am Bubenbergplatz. Für meine Arbeit erhielt ich dort einen Stundenlohn von 2 Franken und mit der Akkordübernahme der Neuausführung des Ornamentes «Laufender Hund» an der Christoffelgasse verdiente ich mir für die damalige Zeit ein kleines Vermögen. Damit setzte ich den Grundstock für die Möglichkeit eines Studiums in Paris, denn Geld war nach dem Bau des elterlichen Hauses und der Krise wegen keines vorhanden.
Nach der bestandenen Lehre machte ich mich zu einer Schweizer Reise auf, um Arbeit zu suchen, aber trotz meiner guten Zeugnisse war nirgends etwas zu finden. In Genf hätte sich eine Arbeitsgelegenheit ergeben, doch erhielt ich keine Aufenthaltsbewilligung. Die Gemeinden wollten das Risiko einer eventuellen Unterstützungspflicht für andere Kantonsbürger nicht eingehen.
Glücklicherweise fand ich dann in Solothurn doch noch einen schönen Auftrag: Für den Bildhauer Walter Peter konnte ich eine grosse Plastik und vier Reliefs für die neue Kantonalbank in Stein ausführen. Im besten Einvernehmen mit dem Auftraggeber beendete ich diese Arbeit noch vor der Rekrutenschule. Da die Zeit zur Ausführung kurz bemessen war und ich mich für deren Beendigung vor der Dienstzeit verpflichtet hatte, musste ich oft bei grosser Kälte – bis minus 10 Grad Celsius – an der ungeheizten Nordfassade arbeiten.
Militär
Meiner damaligen Einstellung gemäss leistete ich meinen Militärdienst bei der Sanität – noch lebten ja Briand und Stresemann. Diese trügerische politische Ruhe und der noch nicht weit zurückliegende Krieg gaben die Hoffnung, dass die Menschheit sich nicht bald wieder in ein so schlimmes Abenteuer würde verstricken lassen. Mit dem Besuch der Gefreitenschule und der Unteroffiziersschule erfüllte ich meine militärischen Pflichten.
Während dieser Kurse trug ich damals, wahrscheinlich als einziger Soldat unserer Armee, einen Bart, was mir allerhand Scherereien einbrachte. Ein Verbot zum Barttragen bestand jedoch nicht, und so rettete ich diesen fragwürdigen Gesichtsschmuck über die verschiedenen militärischen Schulen und Wiederholungskurse ins zivile Leben hinüber. Als ich mit meinem noch jungen Vollbart in die Kaserne Bern zu einem Wiederholungskurs einrücken musste, wurde ich vom Feldweibel gefragt, ob ich etwa aus Selzach stamme, dem Ort der Passionsspiele.«