Biografie + Werdegang

Biografische Daten

1881 wurde Etienne Didier Alphonse Perincioli in Doccio, Val Sesia, Piemont (Italien), als Sohn eines Küfers geboren.
Drei Jahre Dorfschule.
1895-1898 Kunstgewerbeschule in Varallo.
1899 Eintritt in das Dekorationsatelier Negri in Montreux.
1902-1903 Paris, Weiterbildung in Aktzeichnen und Antikenstudium.
1903-1907 Arbeit in Montreux.
1905 Heirat mit Rose Dietrich in Montreux.
1908 Niederlassung in Bern anlässlich der Bildhauerarbeit an Casino und Bellevue.
1907 Geburt von Tochter Germaine, 1911 Sohn Marcel in der Brunnmatt.
1909 Erstmalig Teilnahme an der Weihnachtsausstellung der Berner Künstler.
1913 Mitglied der „Gesellschaft Schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten“ und der „Union internationale des Beaux-Arts et des Lettres“ in Paris.
1916 Einbürgerungsgesuch wird abgelehnt, 1921 nach Fürsprache gewährt.
1926 Hausbau am Egghölzliweg, Bern.
1944 Tod von Etienne Perincioli.

Werdegang

Seine Kindheit und seine Verwandten beschreibt Etienne Perincioli selbst in einem Text, der sich mit Fotos aus der Zeit und der Orte unter der Rubrik Doccio 1880 findet.
Wegen des frühen Todes seines Vaters musste Perincioli vorzeitig die Lehre als Holzbildhauer abbrechen und in Quarona die Arbeit eines Holzschnitzers aufnehmen.

Als Etienne mit 17 Jahren das Val Sesia verliess, um in Montreux als Stukkateur zu arbeiten, hatte er lediglich drei Jahre Schulunterricht und drei Jahre Kunstschule in Varallo absolviert.

Auis dem Skizzenbuch des jungen Etienne Perincioli
Aus dem Skizzenbuch des jungen Etienne: „Nach dem Hunger ist Bildung das grösste Bedürfnis des Volkes“

Auf Perincioli trifft das Zitat von Danton zu: Etienne brachte sich als Jugendlicher selbst französisch bei, autodidaktisch erschloss er sich Geschichte, Naturwissenschaft, italienische und dann auch französische Literatur. Im Skizzenbuch finden sich Zitate von Verlaine, Danton, Rousseau, Victor Hugo.
Dieses Skizzen-Heft beginnt mit noch schülerhaften Skizzen aus Doccio, gefolgt von abgezeichneten Ornamenten in feinster Schraffur und Zitaten italienischer Literaten (Montreux 1901). Es folgen Skizzen von Menschen und Tieren, versetzt mit Zitaten aus der französischen Literatur (Paris 1902 und 1903).

Grupppe von Arbeitskollegen am Genfer See
Kollegen vom Dekorationsatelier Negri. Links im Bild eines der Hotels, die zur Jahrhundertwende am Genfer See errichtet wurden, dessen Ufer – rechts im Bild – damals noch kaum bebaut war.
Junger Bildhauer vor seinem Ornament
Etienne Perincioli als Stukkateur in Montreux vor einer seiner Arbeiten.

Vorbereitende Skizzen dazu aus seinem Skizzenbuch: Dekoration mit revolutionären Slogans umrahmt. Hier schrieb der Einundzwazigjährige 1902: „Throne rollten wie tote Blätter, vom Wind verweht“ (Danton)

Hungrig nach Bildung reiste er nach Paris. Die französische Sprache war damals das Tor zur Welt. Seine Frau Rose erzählte, wie er sich die Schreibweise französischer Worte einprägte, indem er sie mit dem Finger nachschrieb, ohne Papier, die Hand in der Hosentasche. So brachte er sich die erste Fremdsprache selbst bei.

Der Anarchist Luigi Bertoni (1872-1947, seit 1900 Herausgeber des zweisprachigen „Il Risveglio/Le Réveil anarchiste“, war massgeblich am Aufbau der Schweizer Gewerkschaften beteiligt und wurde 1918 (Generalstreik in der Schweiz) unter der fingierten Anschuldigung, ein Bombenattentat geplant zu haben 13 Monate in Zürich inhaftiert. Dieser Bertoni arbeitete als Typograf in Genf und hielt zu jener Zeit Vorträge in Arbeiterkreisen. Kam er nach Montreux, wohnte er bei Etienne. Bertoni wurde polizeilich überwacht, der Kontakt zu Etienne registriert, was später dessen Einbürgerung behinderte.

Rose Dietrich, seine spätere Frau, lernte damals ebenfalls französisch am Genfer See; sie hatte  eine Stelle in einer Papeterie im eleganten Montreux angenommen. Dort konnte sie auch englische Touristen bedienen, weil sie zuvor in England in einem Herrenhaus in Stellung gewesen war. Wie Etienne kam auch Rose aus den Bergen, aus Unterseen bei Interlaken.

Etienn mit Rose und der Tochter Germain und Sohn Marcel, etwa 1918
Etienne mit Rose und der Tochter Germaine und Sohn Marcel, etwa 1918

Etienne schuf Portäts von Schriftstellern in seinem Umfeld, die seiner politischen Haltung nahe standen, wie die beiden sozialkritischen Schweizer Zeitgenossen Loosli und Jakob Bührer.